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Geflüchtete und der “terminus technicus” der Journalisten!

“Dramatische Auswüchse – Asylbewerber stürmen Tafeln: Engpässe bei Personal und Lebensmitteln”, so titelt eine Zeitung aus Schleswig-Holstein. Auch der SHZ scheint ähnliche Überschriften zu benutzen. Mit dem Wort “Sturm” verbinde ich bewaffnete Horden, die ohne Rücksicht auf Verluste plündern und brandschatzen. Eventuell passt da noch der WSV bei Woolworth in mein gedankliches Bild, aber WSV gibt es bekanntlich ja nicht mehr.

Da “stürmen” also nun “Asylbewerber” die Tafeln in unserem Land. Für alle die, die nur die Überschriften lesen, ist das bestimmt eine informative Neuigkeit. Doch ich will nicht garstig sein und lese den Artikel weiter. Langsam und aufmerksam. Ich stolpere über die nächste “Information”. Dort steht: “[…] allein bei der Kieler Tafel werden wöchentlich 40 Neukunden gezählt[…]”, hui das ist viel, denke ich. Einen Moment stutze ich, dann rechnet mein Gehirn. Wir haben die 41 KW, also müssten mindestens 1640 neue Menschen kommen, die verpflegt werden müssen. Davon sollen nach Angabe der Zeitung zwei Drittel “Asylbewerber” sein, also 1093 Menschen die von der Kieler Tafel gespeist werden müssen. Moment, da bleiben dann noch 507 Kielerinnen und Kieler, die seit Beginn des Jahres auf die Kieler Tafel angewiesen sind. Hui, was läuft da schief? Oder stimmen diese Zahlen nicht? Vielleicht weiß ja einer meiner Leser Rat. Wo ist die Verwaltung, wenn die Zahlen so dramatisch steigen? Seit wann weiß wer was? Naja, jedenfalls malt dieser Journalist in meinen Augen ein gefährliches Bild! Nein, da erbitten Menschen Hilfe, die teilweise abgewiesen werden müssen. Die stürmen nicht, sondern gehen hungrig wieder nach Hause!

Der nächste Punkt ist eher ein trauriger, es fehlt an Personal bei den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Also mein erster Gedanke ist dann: “Alle, die sich da nun hinstellen und meckern, könnten ja auch gern helfen.” Im Ernst, wir leben in einer Zeit, in der eine Diskussion um Lebensmittelgutscheine (!) entfacht ist. Ich bin im Moment zu verwirrt um diesen Gedanken zu Ende zu denken.

Meiner Meinung nach ist es schlüssig, dass im ländlichen Raum nicht ausreichend Lebensmittel für die Tafeln ausrangiert werden, aber in einer Großstadt wie Kiel? Ich habe die Bilder aus dem Film “We feed the World” noch im Kopf. Aber vielleicht ist es wirklich eine logische Schlussfolgerung, dass ich als Sozi in diesen Situationen an den Staat denke, der dann hilft und Verantwortung übernehmen muss. Was ich aber nicht verstehe ist, dass es scheinbar zunehmend andere Menschen sind, die nach dem Staat rufen. Beim Geld verdienen darf der Staat nicht stören, aber wenns um Solidarität geht, dann muss der Staat ran.

Ach, welchen Gedanken ich auch anfange, ich bringe keinen zu einem vernünftigen Ende. Alles, aber auch alles, was ich durchdenke tut mir weh, macht mir Angst! Nein, liebe Presse: Berichten, JA! Hetzen, NEIN! “Tafeln brauchen mehr ehrenamtliche Helfer” oder “Netzwerk der Tafeln unter Druck” wären für mich brauchbare Überschriften gewesen! In jedem technischen Fachgebiet gibt es einen eindeutigen “terminus technicus”, ein Wort bei dem ich genau weiß, welches Bild es im Kopf meines Gegenüber erzeugt. Warum geht das nicht auch im Berufsstand der Journalisten?